Am Freitag, den 10.Januar 2025 trafen wir uns in kleiner Runde um 17 Uhr auf dem Südfriedhof in Leipzig um den am 11./12.Januar 1945 ermordeten Antifaschisten, der Schumann-Engert-Kresse-Gruppe zu gedenken.
Daniela Schmohl (VVN-BdA Leipzig) hielt eine Rede, in der sie die Bedeutung von antifaschistischem Widerstand auch in hoffnungslosen Zeiten hervorhob. (siehe unten)
Nach dem Gedenken am zentralen Ehrenhain begaben wir uns mit zwei Vertreter:innen des Kunstkollektiv Marinus zur Abteilung VIII, Reihe E, Grabnummer 30. Hier befindet sich das Grab von Marinus van der Lubbe, welcher am 10.Januar 1934 als Reichstagsbrand-stifter hingerichtet wurde. Bereits seit 1999 befindet sich einer von drei Gedenksteinen für Marinus auf dem Südfriedhof. Die niederländischen Künstler Ron Sluik und Reinier Kurpers-hoek gestalteten die Steine. Ein Stein findet sich im niederländischen Leiden, dem Geburtsort von Marinus, ein dritter Stein steht in Berlin vor dem Deutschen Theater. Seit 2024 weist eine Informationstafel auf das Leben und den Reichstagsbrandprozess hin.
Sowohl das mutige Handeln der Antifaschisten der Schumann-Engert-Kresse- Gruppe als auch das Leben und Handeln von Marinus van der Lubbe können uns heute als Inspiration dienen. Lasst uns ihre Geschichten im Gedächtnis behalten.
Lest hier die Rede:
Liebe Angehörige, liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten, liebe Freund*innen!
Wir erinnern heute hier an zehn Leipziger Antifaschisten, die am 11. und 12. Januar 1945 im Hof des Dresdner Landgerichts am Münchner Platz durch die deutschen Faschisten ermordet wurden:
Georg Schumann, Otto Engert, Kurt Kresse, Karl Jungbluth, William Zipperer, Arthur Hoffmann, Alfred Frank, Georg Schwarz, Richard Lehmann und Wolfgang Heinze
Sie alle waren seit vielen Jahren im Widerstand aktiv und gehörten verschiedenen antifaschistischen Zusammenschlüssen und Gruppen in Leipzig und anderswo an.
Georg Schumann wurde bereits während des ersten Weltkriegs als Mitglied des Spartakusbundes inhaftiert, weil er aktiv gegen den Krieg agitierte. Kurt Kresse leitete den Arbeitersportverein Fichte in Leipzig-West, Arthur Hoffmann bekämpfte 1920 die Kapp-Putschisten und organisierte später im Rotfrontkämpferbund den antifaschistischen Selbstschutz. Georg Schwarz war ab u.a. 1929 bis Januar 1933 Abgeordneter der KPD im Sächsischen Landtag, William Zipperer war Redakteur der Sächsischen Arbeiterzeitung und zeitweise wegen seiner „Ultra Linken“ Positionen aus der KPD ausgeschlossen.
Mal klar vereint, mal kritisch distanziert, wollten sie eine Welt des Friedens und der Freiheit erkämpfen. Mit eigenen Arbeitsfeldern, mit unterschiedlichen Mitteln. Sie bildeten kleine Bezugsgruppen und schufen lose Netzwerke der Solidarität und Organisierung.
Wolfgang Heinze nutzte seine Anstellung bei der Köllmann Werkzeugfabrik um beschäftigte Zwangsarbeiter:innen zu unterstützen. Georg Schumann und Otto Engert verfassten Flugblätter die zum „Widerstand gegen Krieg und Naziherrschaft“ aufriefen und strebten eine breite überparteiliche Widerstandsbewegung an. Erklärtes Ziel war es den Krieg zu beenden und Deutschland vom Faschismus zu befreien.
Sie alle hatten sich mit ihren Mitstreiter*innen bewusst entschieden, nicht Teil eines menschenverachtenden Systems zu sein. Sie entschieden sich Widerstand zu leisten aus der tiefen Überzeugung heraus, dass eine andere, eine bessere Welt möglich wäre.
Von Juli bis November 1944 wurden insgesamt 59 Antifaschisten und Antifaschistinnen verhaftet, denen man Ende 1944 im Rahmen von sieben Prozessen in den so genannten Komplexen „Nationalkomitee Freies Deutschland Leipzig“ und „Internationales Antifaschistisches Komitee“ den Prozess machte. Zehn von zwölf Todesurteilen wurden vor 80 Jahren vollstreckt.
Lasst uns der Ermordeten Gedenken und das Andenken an sie und ihre Kämpfe lebendig halten. Dabei geht es nicht darum sie zu Märtyrern zu stilisieren oder nur an den Gedenktagen Blumen abzulegen.
Machen wir unser Wissen über ihr Wirken und ihre Kämpfe wieder sichtbarer – sollen sie uns Inspiration oder Vorbild sein in Zeiten voller Krisen und Mutlosigkeit.
Vor einem Jahr hat Mirko hier gesagt: „Die aktuelle Situation linker, emanzipatorischer Ideen und Bewegungen scheint hoffnungslos. Die durch die Arbeiter:innen mühsam erkämpften Rechte und Solidaritätsstrukturen werden zermahlen zwischen Kriegen, Militarisierung der Gesellschaft, kapitalistischer Dauerkrise, europäischer Abschottungspolitik, Entfremdung und Spaltung in der Gesellschaft und einem aggressiv geführten Klassenkampf von Oben.“
Wenige Tage nach dem Redebeitrag haben wir hier in Leipzig und dann bundesweit die größten Demonstrationen gegen die AfD und ihre faschistische Politik auf den Straßen gesehen. Und was macht die Politik daraus? Wo wird endlich das Verbotsverfahren gegen die AfD angegangen?
Auch gestern Abend waren Zehntausende gegen schwarz-blau in Wien und anderen österreichischen Städten auf den Straßen – so wie hoffentlich auch morgen in Riesa.
Aber das reicht nicht!
Marktliberale und faschistische Kräfte übernehmen weltweit die Macht. Die Wahlergebnisse im letzten Jahr – egal ob Sachsen, Frankreich oder USA – waren ein Desaster.
Die Angriffszahlen gegen Menschen, die aus welchen Gründen auch immer nicht ins Weltbild der Nazis passen, steigen immer weiter. Die Brandmauer steht auf beiden Seiten in hellen Flammen.
Bei allem Schrecken, bei aller Wut und auch bei aller Ratlosigkeit, wir lassen uns nicht einschüchtern!
Jetzt erst recht sind wir gegen Rassismus, Antisemitismus und all die Menschenverachtung auf der Straße.
Wir lassen nicht nach in unserem Engagement für Geflüchtete, für das Recht auf Asyl, für eine solidarische Gesellschaft, für eine Welt ohne Kapitalismus und zu allererst gegen Nazis und Rassist:innen.
Lasst uns uns als Antifaschist:innen darauf besinnen worin unsere Stärke besteht!
Unsere Solidarität!
Lasst nicht nach im Organisieren: Einander und all jenen selbstbewusst zur Seite zu stehen, die in der Gesellschaft an den Rand gedrängt sind! In Zeiten von rassistisch, völkischen Abschiebeplänen, chauvinistischem Armenhass, queerfeindlichem und antifeministischem Gebrülle und dem Angriff auf alle sozialen und politischen Errungenschaften ist die konkrete Unterstützung bedrängter Menschen umso wichtiger.
Sei es beim Einschreiten im Alltag bei rassistischen, antiziganistischen, antisemitischen oder queerfeindlichen Übergriffen, sei es als Lesepat:innen für junge Geflüchtete, in der Sozialberatung für Erwerbslose und prekär Beschäftige, als Unterstützer:innen bei Arbeitskämpfen und Klimaprotesten, oder in der Geschichtsarbeit rund um Straßen- und Schulnamen.
Und lasst uns dabei diejenigen aktiven Antifaschist*innen nicht vergessen, die wegen eines Polizeikessels in Leipzig, wegen des Budapest-Verfahrens oder wegen des Antifa-Ost-Komplexes mit Repressionen überzogen, kriminalisiert, widerrechtlich eingesperrt und ausgeliefert worden sind!
Antifaschistische, antikapitalistische praktische Solidarität macht einen Unterschied.
Wir sind dieser Unterschied!