Antifaschistisch Erinnern unter rechten Mehrheiten

Bühne eines alten Kinos mit fünf Menschen, die unter einem Bild mit Antifaschistisch erinnern - 8. Mai Tag der Befreiung sitzen
Podium der Veranstaltung am 8. Mai 2025 im UT Connewitz, Leipzig Quelle: Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig

Rechte Mehrheiten auf kommunaler Ebene und im Land, die konkreten Einfluss auf die Finanzen im Bereich der politischen wie kulturellen Bildung, der sozialen Arbeit und dabei besonders auch bei Gedenkstätten und projektbezogene Erinnerungsarbeit in Vereinen nehmen, setzen uns in den letzten Monaten zu. Auch die rassistischen Kampagnen zum vermeintlichen „Migrationsproblem“, die zu einer weiteren Verschärfung und Beschneidung des Asylrechts und zum Bruch von Europarecht führten genauso wie allgegenwärtige queer-feindliche Hetze, antisemitische Angriffe, antifeministische Politik und nicht zuletzt die immer weiter steigenden Angriffszahlen auf Menschen und Einrichtungen[1] sind oft schwer auszuhalten – von außenpolitischen Unwägbarkeiten ganz zu schweigen.

In diesem Setting gab es im Frühjahr allerorten Veranstaltungen rund um den 80. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus – der auch der 80. Jahrestag vieler Endphasenverbrechen, z.B. im Kontext der Todesmärsche oder der Räumung von Konzentrationslagern durch die Nazis war. Ebenso wie der Befreiung von Städten wie Verbrechensorten durch die alliierten Truppen.

In Leipzig hatte sich ein Bündnis antifaschistischer und emanzipatorischer Gruppen gebildet, um mit ganz unterschiedlichen Veranstaltungen diese Jahrestage zu begehen.[2] Höhepunkt der Reihe war eine anregende Podiumsdiskussion zu der die VVN-BdA Leipzig und die RLS Sachsen verschiedene Gäste eingeladen hatten: Gjulner Sejdi für die Interessenvertretung der Roma in Sachsen[3] und Susanne Siegert, sie klärt mit dem Kanal @keine.erinnerungskultur auf TikTok und Instagram über den Holocaust auf. Wir sprachen mit dem Historiker Dr. Martin C. Winter, er forscht zu Unternehmenskultur, Zwangsarbeit und Judenmord beim Leipziger Rüstungskonzern HASAG[4] sowie der Landtagsabgeordneten Juliane Nagel (Projekt- und Abgeordnetenbüro LinXXnet), die sich in ihrer aktivistischen Arbeit für die Erinnerung an die Opfer rechter Gewalt stark macht.

Die Gäste des Podiums schilderten ihre persönlichen Perspektiven auf Erinnerungs- und Gedenkarbeit und die aktuellen Herausforderungen wie bspw. die von finanziellen Einschränkungen im sächsischen Haushalt betroffene Bildungsarbeit, die unter anderem die Gedenkstätte für Zwangsarbeit in Leipzig zur massiven Einschränkung ihrer Angebote zwang.[5] Gesprochen wurde über die Herausforderung wie Notwendigkeit Social Media für Bildungsarbeit einzusetzen und dort in der Schnelle und Kürze des Mediums Inhalte zu vermitteln. Thema war auch die andauernde antiziganistische, rassistische Diskriminierung von Überlebenden des NS-Terrors und ihren Nachkommen und die Unbeständigkeit von Errungenschaften im Erinnern an die NS-Verbrechen, z.B. in der aktuellen Diskussion um die Verlegung des Denkmals für die ermordeten Sinti und Roma in Berlin wegen einer Bahn-Baustelle. Nicht zuletzt ging es auch um aktuelle Kämpfe in der Anerkennung und Erinnerung an die Opfer rechter Gewalt seit 1990.

Man sieht ein vollbesetztes UT Connewitz, ein altes Kino, mit einem Podium mit 5 sprechenden Menschen sowie verschiedenen Transparenten, ua.a. Erinnern heißt kämpfen
Podium im UT Connewitz
Quelle: Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig

Vieles blieb aufgrund des breiten Podiums und der zahlreichen Themen, die zumindest angerissen werden wollten, an der Oberfläche und verdient eine genauere Betrachtung wie eine fortgesetzte Auseinandersetzung. Darauf verwies dann auch die engagierte Diskussion. Hier war den Anwesenden vor allem wichtig, dass man in jeglicher antifaschistischer Gedenk- und Erinnerungsarbeit nicht nachlassen werde – egal unter welchen Voraussetzungen und einig war man sich bei der notwendigen Unterstützung von Strukturen außerhalb der großen Städte oder in abgelegeneren Stadtteilen.

Wir haben den Mitschnitt der Veranstaltung online gestellt – zur Inspiration und Ermutigung aber auch zum weiterdiskutieren. Hört gern rein und teilt ihn!

Link zum Soundcloud-Kanal der RLS Sachsen: https://soundcloud.com/rlssachsen/antifaschistisch-erinnern-unter-rechten-mehrheiten

 


[1] Bilanz zum Ausmaß rechter, rassistischer und antisemitisch motivierter Gewalt 2024 der Opferberatungsstellen des VBRG https://verband-brg.de/rechte-rassistische-und-antisemitische-gewalt-in-deutschland-2024-jahresbilanzen-der-opferberatungsstellen/ (zuletzt 09.08.2025).

[2] ANTI­FA­SCHIS­TISCH ERINNERN. Aktions­tage zum 80. Jahres­tag der be­din­gungs­losen Ka­pi­tu­la­tion Nazi­deutsch­lands https://antifa-erinnern-le.de//about/ (zuletzt 09.08.2025).

[3] Romano Sumnal e.V. https://romano-sumnal.de/ sowie Melde- und Informationsstelle Antiziganismus MIA e.V. https://www.antiziganismus-melden.de/ (zuletzt 09.08.2025)

[4] Er ist Mitarbeiter der Universität Leipzig und Alfred-Landecker-Lecturer https://hasagpuzzle.hypotheses.org/ (zuletzt 09.08.2025)

[5] https://www.zwangsarbeit-in-leipzig.de/fileadmin/Dateien/Aktuelles/PM_GfZL_27.1.2025.pdf (zuletzt 09.08.2025)