Nachruf Erich Köhn

17.07.1932 – 12.08.2020

Der verordnete Antifaschismus war ihm nicht genug

Die Leipziger Antifaschisten trauern um Erich Köhn (17.07.1932 – 12.08.2020)
Ein Urgestein des Leipziger VVN-Bundes der Antifaschisten hat uns kurz nach seinem 88. Geburtstag für immer verlassen.

Seit der Gründung unseres Leipziger VVN-BdA im Jahr 1993 war Erich Köhn an unserer Seite, mit seiner Überzeugung für eine Welt ohne Krieg und Faschismus und seinem Wissen als Historiker. Erich war der erste Sohn des 1944 zu Tode gekommenen Leipziger Widerstandskämpfers Erich Köhn, nach dem eine Straße in Lindenau benannt ist und für den ein Stolperstein vor dem Haus Georg-Schwarz-Straße 176 liegt. Wegen antifaschistischer Betätigung wurde sein Vater 1934 zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt. „Hochverrat“ nannten das die Machthaber. Nach dieser Verurteilung kam Erich Köhn nicht wieder frei. Sein Leidensweg ging über Waldheim in das KZ Buchenwald, bis zum bitteren Ende.

Erich Köhn hat sich stets dafür eingesetzt, dass allen Opfern des Faschismus gedacht wird, zu Gedenkveranstaltungen, mit Stolpersteinen und Erläuterungstafeln an Straßenschildern. Viele dieser Vorhaben hat er finanziell getragen bzw. unterstützt. Für ihn war es außerordentlich wichtig zu betonen, dass sein Vater ein Kämpfer gegen den Faschismus gewesen sei. Der verharmlosende Begriff „Nationalsozialismus“ war für ihn zur Beschreibung der Leistung der Widerstandskämpfer nie akzeptabel. Solange es sein Gesundheitszustand erlaubte, nahm er an den Gedenkveranstaltungen zur Befreiung des KZ Buchenwald gemeinsam mit Familienangehörigen teil.

Seine Geradlinigkeit macht auch folgende Episode deutlich: Erich Köhn forschte am Institut für Gesellschaftswissenschaften in den 1960-er Jahren zum Leipziger Widerstand mit dem Ziel der Promotion. Die Ergebnisse seiner Arbeit gingen mit den damaligen Vorstellungen der SED nicht konform, weil er über den kommunistischen Widerstand hinaus weitere Kräfte in seine Untersuchungen einbezog. Deshalb wurde seine Promotion abgebrochen.

Bis ins hohe Alter war es Erich Köhn wichtig, die Leistung seiner Mutter Johanna herauszustellen. Die Frauen der Verhafteten haben nach seiner Ansicht die ganze Last getragen. Sie haben die Familien durchgebracht, teils mit spärlicher Fürsorge, teils mit harter Arbeit.

Im Geiste seines Vaters war für Erich gelebter Antifaschismus Herzenssache.
In vielen Fällen hat sein Wissen und sein umfangreiches Archiv Veranstaltungen bereichert.

Noch aus eigenem Erinnern als Kind konnte er bildhaft die Situation in Leipzig in den Apriltagen 1945 schildern. Aus Anlaß des 70. Jahrestages der Befreiung hat er in einem Vortrag, unterlegt mit vielen Dokumenten und persönlichen Eindrücken, die Rolle des Nationalkomitee Freies Deutschland (NKFD) in Leipzig in den Apriltagen des Jahres 1945 herausgearbeitet.
Erich Köhn war uns ein wertvoller Mitkämpfer. So wird er uns in Erinnerung bleiben.

Heute vor 76 Jahren wurde Ernst Thälmann ermordet

„Ich konnte den Gefangenen nur von hinten sehen. In dem Augenblick, wo der Gefangene das Spalier der vier angeführten SS-Leute passiert hatte und den Gang des Krematoriums betrat, fielen hinter ihm vom Hof her drei Schüsse. Hierauf begaben sich die draußen gestandenen SS-Leute und die zwei Zivilisten in das Krematorium und schlossen die Tür hinter sich. Etwa drei Minuten später fiel im Krematorium ein vierter Schuss. Offensichtlich war es der übliche Fangschuss.“

Mit diesen dürren Worten beschrieb der zum Leichenträger-Kommando gehörende Buchenwald-Häftling Marian Zgoda die von Hitler persönlich angeordnete Hinrichtung des KPD-Führers Ernst Thälmann in der Nacht vom 17. auf den 18. August 1944. Das blutige Ende einer sehr besonderen deutschen Karriere: Anfangs der steile Aufstieg des am 16. April 1886 in Hamburg geborenen Ernst Thälmann, der sich, aus einfachsten Verhältnissen kommend, als ungelernter Hilfsarbeiter durchschlug und als Gefreiter im Ersten Weltkrieg seinen Wehrdienst ableistete.

Ernst Thälmann (1886–1944) war seit März 1919 Vorsitzender der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei (USPD) in Hamburg und Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft. Von 1925 bis 1933 war er Mitglied des Deutschen Reichstags und Vorsitzender der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), die sich unter seiner Führung zu einer Massenpartei entwickelte. Von 1929 bis zu seiner Festnahme am 3. März 1933 lebte Thälmann mit seiner Familie in der Tarpenbekstraße 66 in Hamburg.

Nach seiner Verhaftung als politischer Gegner des NS-Regimes war er fast elfeinhalb Jahre inhaftiert, bevor am 18. August 1944 auf persönlichen Befehl Hitlers der Arbeiterführer, Revolutionär, Kommunist und Vorsitzende der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), Ernst Thälmann, im Konzentrationslager (KZ) Buchenwald bei Weimar in Thüringen von den Faschisten ermordet wurde. Heute erinnern eine Gedenkstätte und zwei Stolpersteine an den umstrittenen Politiker.

 

Danke für eure Unterstützung bei der Putzaktion

Heute bedanken wir uns noch mal bei Allen, die uns am Freitag unterstützt haben bei unserer Putzaktion am Ehrenhain auf dem Leipziger Südfriedhof.
 
Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten Leipzig (VVN-BdA Leipzig) kümmert sich neben der Aufklärung über die Verbrechen der Faschisten in Leipzig, der Weiterbildung durch Gedenkstättenbesuche und Proteste gegen aktuelle faschistische Aktivitäten, um die Erhaltung der Gedenkstätten und die Pflege von Grabstätten von Widerstandskämpfern. Wir möchten so die Erinnerung bewahren, und das Gedenken weitertragen.
 
Darum „Lassen wir über die Geschichte kein Gras wachsen“ und reinigen die Grabstätten regelmäßig.
 
Mit antifaschistischem Gruß
 

Euer VVN-BdA Leipzig


Europäischer Holocaust-Gedenktag für Sinti und Roma

Heute ist der Europäischer Holocaust-Gedenktag für Sinti und Roma. Aber erinnern allein reicht nicht. Rassismus und Nationalismus müssen entschieden bekämpft werden.

An diesem Tag erinnern wir an die letzten 4.300 Sinti und Roma, die im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau vor 76 Jahren – trotz ihres erbitterten Widerstands – von der SS ermordet wurden. Erst vor fünf Jahren wurde der 2. August vom Europäischen Parlament als Europäischer Holocaust-Gedenktag für Sinti und Roma anerkannt.

Dieser Tag ist Symbol für den Holocaust der Nazis an über 500.000 Sinti und Roma im besetzten Europa.

Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, hebt die Bedeutung des Gedenkens hervor:

„Wir gedenken dieser Opfer. Wir gedenken aller Opfer des Völkermords an den Sinti und Roma, und wir gedenken aller Opfer des Nationalsozialismus. Dieser Tag ist für Sinti und Roma in ganz Europa von großer Bedeutung. Das Gedenken an die Opfer des NS-Völkermords ist fester Teil unserer Identität geworden.“

Das Europäische Parlament hatte den 2. August vor fünf Jahren zum Europäischen Gedenktag erklärt und die EU-Mitgliedsstaaten sind nach wie vor aufgefordert, den 2. August in ihren Ländern zum Gedenktag an den Holocaust an Sinti und Roma zu erklären. Die Republik Polen hat als erster Staat in Europa den 2. August als Gedenktag anerkannt.

Europa sieht sich heute wieder einem neuen Nationalismus, Antiziganismus und Antisemitismus gegenüber. In der letzten Zeit wurden wir Zeugen zahlreicher rechtsterroristischen Mordanschläge in Deutschland und in anderen europäischen Ländern. Historisches Gedenken ist immer auch eine gelebte Verpflichtung für die Gegenwart und Zukunft. Wenn wir heute an die Verbrechen des Nationalsozialismus und den Holocaust erinnern, müssen wir gleichzeitig Rechtsstaatlichkeit und Demokratie verteidigen.

Sinti und Roma sind seit über 700 Jahren in den Ländern Europas ansässig, sie sind Staatsbürger in ihren Heimatländern. Es waren die Nazis, die sie zuerst erfasst und ausgegrenzt, die ihnen die Staatsbürgerschaft aberkannt, sie dann deportiert haben und sie schließlich vollständig ermorden wollten. Der Rassismus der Nazis mit seinem Kern eines extremen und radikalen Antisemitismus und Antiziganismus war das eigentliche Wesen des Dritten Reichs und dies kennzeichnet den Holocaust: ein Verbrechen an der Menschheit, ein in der Geschichte einmaliger Zivilisationsbruch.

Das 20. Jahrhundert war geprägt von zwei Weltkriegen und von zahlreichen Kriegen in nahezu allen Teilen der Welt. Jetzt, im 21. Jahrhundert, sind wir mit einer Situation konfrontiert, in der nicht nur die Demokratien sich gleichsam selbst aufgeben, in der rechtsstaatliche Prinzipien systematisch abgebaut werden und in der vor allen Dingen die unterschiedlichen Lager innerhalb unserer Gesellschaft kaum noch miteinander sprechen können oder wollen.

Dies zusammengenommen ist eine unhaltbare Situation, die wir nur durch eine gemeinsame Anstrengung überwinden können. Für Roma in Europa bedeutet diese Spaltung in vielen Gesellschaften der Staaten Europas eine besondere Gefahr. Gesellschaftliche Spannungen wurden und werden immer wieder auf Minderheiten abgeleitet und derzeit besteht wieder die Gefahr von Vertreibungen und von Pogromen an Roma.

Auschwitz ist das Gewissen der Wertegemeinschaft demokratischer Staaten. Wir alle dürfen nicht länger schweigen und verharmlosen, wir dürfen nicht wegschauen, wenn Rassismus sich kundtut, wenn Nationalismus sich gegen Europa, gegen unsere gemeinsamen demokratischen Werte richtet, wenn Nationalisten und rechte Organisationen unsere Demokratie und den Rechtsstaat beseitigen wollen. Jetzt sind die Regierungen Europas aufgefordert, endlich eindeutig und nachhaltig Antiziganismus, Antisemitismus und Rassismus zu ächten. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma begrüßt deshalb ausdrücklich die von der Bundesregierung berufene Unabhängige Kommission Antiziganismus, deren Aufgabe es ist, den Antiziganismus in Deutschland zu analysieren und Handlungsempfehlungen zur Bekämpfung des Antiziganismus zu entwickeln.

Das ist die Verpflichtung, die uns auferlegt ist von den in Auschwitz-Birkenau und in den anderen Konzentrations- und Vernichtungslagern oder von den Einsatzgruppen der SS ermordeten Menschen. Ihr müssen wir uns gemeinsam in Europa stellen.

In diesem Sinne: Niemals Vergeben! Niemals Vergessen! Nie wieder!