Als „Porajmos“ (dt. „das Verschlingen“) wird in Romanes der Genozid an den Sinti und Roma während der Zeit des Nationalsozialismus bezeichnet. Trauriger Höhepunkt des Völkermordes war der 2. August 1944, der sich dieses Jahr zum 75. Mal jährt. An diesem Tag wurde der Abschnitt BIIe im Konzentrationslager Auschwitz geräumt und die 2897 noch verbliebenen Sinti und Roma in den Gaskammern ermordet. Zwischen Februar 1943 und August 1944 starben allein in Auschwitz 19.300 in diesem Abschnitt untergebrachte Menschen. Insgesamt fielen hunderttausende Sinti und Roma den Nazis zum Opfer. In Deutschland ist das Bewusstsein für die leidvolle Geschichte der größten Minderheit Europas und die eigene Verantwortung dafür jedoch kaum ausgeprägt.
Auch heute sind Angehörige der Minderheit der Sinti und Roma alltäglicher Diskriminierung ausgesetzt, die auch in rassistischen Angriffen münden kann. So fanden in Plauen im Vogtland zum Jahreswechsel 2017/2018 zwei schwere Brandstiftungen statt. In den betroffenen Häusern wohnten mehrheitlich Roma-Familien. Mögliche politische Hintergründe dieser Brandanschläge wurden nicht aufgeklärt.(http://www.weiterdenken.de/de/2019/07/16/dossier-zu-den-brandanschlaegen-20172018-plauen) Auch im Leipziger Stadtteil Volkmarsdorf wurde im Herbst 2010 massiv Stimmung gegen ansässige Roma gemacht, die in verbalen und tätlichen Übergriffen mündete. Solche Anfeindungen und Übergriffe finden nicht irgendwo weit weg statt, sondern in unserer unmittelbaren Umgebung und trotzdem nimmt derüberwiegende Teil der Gesellschaft daran keinen Anteil, selten wird darüber überhaupt medial berichtet.
Aus der Mitte unserer Gesellschaft wurden Roma in den vergangenen Jahren zu Zehntausenden abgeschoben. In ihren Herkunftsländern des Westbalkan erwartet sie Armut, Ausgrenzung und Diskriminierung. Die immer weiter verschärfte Abschiebepraxis zeigt, dass die schwarz-rote Bundesregierung
nichts aus der Geschichte gelernt hat. Ein drastisches Beispiel dafür ist das Schicksal von Fllanxa Murra. Die junge Romnja hat durch deine Landmine beide Beine verloren und sie ist lesbisch. Sie floh aufgrund der Verfolgung wegen ihrer Sexualität aus Albanien nach Deutschland und lebte in Taucha bei Leipzig. Doch: ihr
Asylantrag wurde abgelehnt, Rechtsmittel dagegen blieben erfolglos. Trotz ihrer unverkennbaren Schutzbedürftigkeit wurde sie im Dezember letzten Jahres abgeschoben. Eine Entscheidung, die fassungslos macht und die die Menschenrechtskonformität staatlichen Handelns infrage stellt.
Wir meinen: Vor allem in Deutschland erwächst aus dem nationalsozialistischen Genozid an Sinti und Roma eine große Verantwortung, die sich nicht nur in einer würdigen Erinnerungskultur und einem entschiedenen Vorgehen gegen Rassismus (nicht nur) gegen Sinti und Roma in all seiner Bandbreite niederschlagen muss, sondern auch in einer aktiven Unterstützung der Verbesserung der Lebenssituation von Roma in ganz Europa. Dies bedeutet, dass sie hier einerseits Schutz finden müssen, andererseits, dass die EU Druck auf die Staaten ausüben muss, in denen Roma weiter unter Diskriminierung leiden.
Es ist uns unverständlich, dass die Leipziger Stadtverwaltung die Initiative von zwei Fraktionen das Gedenken an den Genozid auch Leipziger Sinti und Roma im 75. Jahr nach der versuchten Ausrottung der gefangenen Sinti und Roma in Auschwitz den 2. August nicht zum offiziellen Gedenktag machen wollte. Die lapidare Begründung lautet:
Leipzig war kein Zentrum der Verfolgung von Sinti und Roma im Nationalsozialismus.
Diese Aussage ist in ihrer absoluten Form falsch. Denn auch in Leipzig wurden Sinti und Roma überwacht, gedemütigt, verfolgt und deportiert. Neben dieser geschichtsvergessenen Aussage wurde von Stadtverwaltung und der Mehrheit des Stadtrats – CDU, SPD und AfD, auch das geforderte Hissen der Romafahne zum Internationalen Romaday am 08. April abgelehnt.Das Hissen der Fahne ist ein weit verbreitetes Zeichen der internationalen Solidarität mit allen Roma dieser Welt, welche sich unter dieser Flagge heimisch fühlen.
Trotz dieser Rückschläge bleiben wir dabei: Die Sinti und Roma dieser Welt brauchen unsere Solidarität und Unterstützung im Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung. Das Gedenken an die Sinti und Roma, welche Opfer der NS-Diktatur wurden, darf nicht aufhören.
Darum rufen wir am 2. August 2019, 17 Uhr anlässlich der Liquidation des Abschnitts BIIe im KZ Auschwitz vor 75 Jahren zum Gedenken am Denkmal für die ermordeten Sinti und Roma am Schwanenteich in Leipzig auf. Setzen wir gemeinsam ein Zeichen gegen rassistische Stimmungsmache und für ein würdig
Juliane Nagel (DIE LINKE. Leipzig)
Leipzig Korrektiv
VVN-BdA Leipzig e. V.